Gute Nachbarschaft - Herausforderungen gemeinsam lösen: Tagungsdokumentation

"Herausforderungen gemeinsam lösen" lautete das Motto der Bündnis-Veranstaltung am 9. Mai 2022, live gesendet aus der Nordstadt in Hannover beim Nachbarschaftskollektiv "Was mit Herz". Minister Olaf Lies und Marco Brunotte (LAG der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen) trafen begleitet von Moderatorin Christina von Saß auf verschiedene Akteur*innen aus dem Bündnis für gute Nachbarschaft Niedersachsen und sprachen mit Menschen, die mit ihrem Engagement die aktuellen Herausforderungen in der Nachbarschaft angehen. Ergänzt wurde die Sendung mit Live-Schaltungen in drei verschiedene Nachbarschaften aus ganz Niedersachsen und einem abschließenden Austausch aller Teilnehmenden. (Hier geht es zu allen aufgezeichneten Veranstaltaltungsteilen)

Aus dem Programm:

  • Gleich am Eingang begrüßte Alina Zimmermann und Felix Haub, vom gastgebenden Kollektiv WASMITHERZ e.V.
  • Als Beispiele der vielfältigen Nachbarschaftsangebote stellten Margrit Büngener und Jean-Christophe Schulze das Projekt Sharing Family vor, das kollektiv die Nahrungsmittelverteilung für Bewohnerinnen und Bewohner in der Nordstadt angeht.
  • Im Gespräch mit Tomasz Lachmann von der Gesellschaft für außerordentliche Zusammenarbeit e.V. wurden der Coworkingspace und die Bibliothek der Dinge erläutert.
  • Das große Netzwerk rund um Gemeinwesenarbeiter Christian Oddoy kam per Live-Schaltung aus Visselhövede unter anderem auf die aktuelle Herausforderung der Integration vor Ort zu sprechen.
  • Johanna Klatt, Co-Geschäftsführung LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V., stellte zentrale Ergebnisse einer Blitz-Umfrage zu aktuellen Themen und Herausforderung der Nachbarschaften in Niedersachsen vor.
  • In einem Gespräch mit unter anderem Yuliia Riepina, Tamara Bernatska und Mariya Kashyna wurde das Thema der Integration und die Erfahrungen und Herausforderungen des Ankommens nach Flucht aus der Ukraine angesprochen. Zur zeit leben die Frauen in Hannover Nordstadt und nutzen das Nachbarschaftszentrum.
  • Marion Jakobi (Gemeinwesenarbeiterin im Nachbarschaftstreff Burgdorf Ostlandring), Lydia Balabko und Irina Aslanian thematisierten die große Solidarität der Bewohnerinnen und Bewohner untereinander.
  • In der Live-Schaltung nach Emden lag der Schwerpunkt im Gespräch mit Martin Schabler, Wilma Wermuth, Griet Albers und Ali Mustafa auf der integrierten Kommunalentwicklung und der Nachbarschaft in einem innenstädtischen Quartier.
  • In der Live-Schaltung nach Gifhorn-Wilsche wurde im Gespräch mit Ortsbürgermeister Uwe Weimann, Heike Weichert (Vorsitzende Verband Wohneigentum Wilsche), Pastor Matthias Wittkämper,  dem Leiter der Feuerwehr und dem Leiter des Schützenvereins beispielhaft die langjährig aufgebaute Ehrenamtsstruktur eines lebendigen Dorfes erkennbar.
  • Als Ausblick und Anregung für alle Nachbarschaften in Niedersachsen luden Stefanie Nöthel, Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, Tibor Herczeg, Geschäftsführer Verband Wohneigentum Niedersachsen und Claudia Schmidt, Stadt Hameln, Projektkoordinatorin Quartiersentwicklung, die Foto-Aktivierungsaktion des Bündnisses vor.
  • Abschließend hatten alle Teilnehmenden der Veranstaltung die Gelegenheit zu einem Austausch in Kleingruppen zu ihren Erfahrungen und Perspektiven.

 

Zentrales Thema der Veranstaltung war die Frage: Was brauchen gute Nachbarschaften?

Einigkeit bestand darin, dass es die intergrierte Stadt- und Kommunalentwicklung braucht, damit alle Nachbarschaften einer Gemeinde sich optimal entwickeln können. Vor Ort braucht es außerdem professionelle Strukturen der Gemeinwesenarbeit und des Quartiersmanagements.

Doch wie kann das gut umgesetzt werden? In den Gesprächsrunden wurden verschiedene Modelle und Verantwortlichkeiten zur dauerhaften und landesweiten Finanzierung von Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement diskutiert.

Dazu im Folgenden einige zentrale Aussagen von Olaf Lies, Marco Brunotte und Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsische Städte und Gemeindebund, die das Bündnis für gute Nachbarschaft nun mehr in den weiteren Arbeitsprozess aufnehmen wird:

Olaf Lies:

„Ich denke, dass wir in Zukunft viel stärker überlegen müssen, ob es nicht grundsätzlich im Quartier auch Strukturen gibt, die dieses Quartier zusammenhalten. Die in diesem Quartier so eine Organisations- und Bündelungsfunktion haben. (..) Das ganz wichtige, nämlich: Wie Menschen miteinander Zusammenleben und sich gegenseitig helfen, das überlassen wir dem System selber. Da müssen wir in Zukunft helfen und unterstützen.

Die Schwierigkeit ist tatsächlich: Wenn wir immer wieder neue Projekte machen wollen, brauchen wir zusätzliches Geld. (…) Das wird die Frage sein, die wir auch mit dem Bund diskutieren.

Es darf auch nicht von der finanziellen Kraft der Kommune abhängen, ob man am Ende Gemeinwesenarbeit macht. Sondern es muss für alle möglich sein.

Es ist nichts Freiwilliges was wir machen und wenn es nicht da ist, dann ist es nicht schlimm. Sondern es ist etwas dringend Notwendiges. Und es hilft uns in der Gesellschaft auch an anderer Stelle Kosten zu minimieren.

Wir brauchen eine Verstetigung natürlich unserer eigenen Mittel. (…) Was wir nur brauchen ist nicht ‚drei Jahre und dann ist es zu Ende‘, sondern wir brauchen es verlässlich.

Ich glaube, dass wir deutlich machen müssen: Wie wichtig sind uns diese sozialen Projekte und Aufgaben? (…) Was passiert eigentlich, wenn wir das nicht machen? (…) dann wäre ich auch bei Marco Brunotte, der sagt: Da müssen wir von Projekten hin zur Pflicht

Das kostet Geld. Nur: wenn wir das nicht tun, dann kostet es noch mehr. "

Dr. Marco Trips:

"Ich finde diesen Mix der überall passiert beeindruckend. Und so entsteht über all das was gebraucht wird, und das ist das Tolle. Es ist gut, wenn es eine Grundfinanzierung des Landes gibt. Das ist schon sehr hilfreich. Die Kommunen tun ihren Teil dazu, das ist so. Es ist so, dass die Kommunen, die es vielleicht besonders nötig haben auch nicht die finanzstärksten sind.

Es ist schon angezeigt, dass die Kommunen eine Grundförderung bekommen. Die Verlässlichkeit ist gut für solche Programme vor Ort.

[Aber] Das ist genau das Problem: Wenn man es breit streut, ist für jeden Einzelnen weniger da. Und wenn man es gezielt einsetzt, kann man einzelne Projekte ermöglichen, die sich dann allerdings nach drei Jahren wieder fragen „Wie geht es weiter?“ jedes Mal. Das ist eine Zwickmühle aus der man nicht heraus kommt.

Das Ganze ist äußerst sinnvoll, muss aber natürlich auch finanzierbar sein.“

Marco Brunotte:

Es braucht Räume, in denen was entstehen kann. In denen sich Menschen treffen können, alles was dazu gehört. Es zeigt auch, was die Gemeinwesenarbeit leisten kann. Hier werden Dinge ermöglicht. Dinge, die aber auch Struktur brauchen, das muss strukturiert werden.

(…) Und die [Struktur] kann ich nicht ad hoc aus dem Boden stampfen, sondern ich muss überlegen: Ist nicht GWA ein Stück kommunaler Daseinsvorsorge mit niedrigschwelliger Sozialarbeit und die muss permanent ausfinanziert sein, darf nicht ein Projekt sein.

Alle Beispiele aus der Praxis zeigen: es braucht eine Zeit bis man im Quartier auch bekannt ist, bis man das Netzwerk stehen hat, was man braucht um erfolgreich wirken zu können. und das geht schwer in einem Projekt über drei Jahre. Da hat man das Quartier gerade erst kennengelernt und kann sich eigentlich schon um die Abschiedsparty kümmern, das muss länger laufen und es muss eigentlich eine stetige dauerhafte Aufgabe sein. Und zwar nicht auf dem Rücken der Kommune, sondern da muss man überlegen wie Daseinsvorsorge über die staatlichen Ebenen organisiert werden kann.

Ich würde mir wünschen, dass wir eine Grundjustierung der Pflichtaufgaben der Kommunen nochmal diskutieren. Da ist das eigentlich eine Pflichtaufgabe der Kommunen die auch ausfinanziert werden muss und die auch nicht den Haushaltssicherung zum Opfer fallen darf

Es bräuchte ein Commitment zwischen den staatlichen Ebenen, zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wie finanzieren wir dauerhaft ein Stück niedrigschwellige Sozialarbeit?

Es wurde eine sehr feinteilige Hilfestruktur in den letzten Jahren aufgebaut. Kann ich nicht Teile zusammenführen, in so Quartiersmanagement, was dann „rootet“ ins System und was dann als Grundversorgung definiert ist?

Für Dörfer und Städte gleichermaßen, es gibt bei beiden zunehmend den Bedarf.

Ich glaube auch, dass sich Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement nicht vor Wirksamkeitsanalysen scheuen muss."

 

Der Austausch und die Gespräche gehen auf der Plattform Gute Nachbarschaft im Space Bündnis Gute Nachbarschaft weiter.

Sie sind/ ihr seid herzlich eingeladen dort alle Eindrücke, Ideen und Fragen zu teilen.

 

 

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